Ich wurde in Äthiopien geboren und bin dort aufgewachsen. Heute lebe ich in Deutschland. Das bedeutet, dass ich in zwei Kulturen zu Hause bin, was bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten von großem Vorteil ist. Sonst sind Missverständnisse vorprogrammiert. Die von unserer Organisation durchgeführten Projekte sind nie einseitig. Es findet immer ein gegenseitiger Austausch von Erfahrungen und Know-how statt. Ich habe auch jede Menge gelernt – besonders aus unserem Autismusprojekt, durch das ich wunderbare Kinder mit vielseitigen Talenten und extrem starke Mütter getroffen habe.

Ermias Belai, Gründungsmitglied von Art of Buna

In Äthiopien gibt es derzeit vier Zentren, die sich der Unterstützung autistischer Kinder widmen. Sie versorgen eine Bevölkerung von über 120 Millionen Menschen. Aufgrund der hohen Nachfrage sind die Wartelisten dieser Zentren lang, denn viele Kinder suchen Unterstützung. Die vier Anlaufstellen wurden auf Initiative von Müttern autistischer Kinder gegründet, die die Schaffung dieser wichtigen Ressourcen selbst in die Hand genommen haben.

Aktuell besteht bei der praktischen Ausbildung von Psycholog*innen, Heilpädagog*innen, Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen in Äthiopien, vor allem im Bereich Autismus, eine erhebliche Lücke. Der größte Bedarf ist in der beruflichen Qualifizierung und Fortbildung des Personals der vier bestehenden Zentren zu verzeichnen. Hier kommt die Diaspora-Organisation Art of Buna ins Spiel. Sie organisiert einen langfristigen Austausch zwischen Fachleuten aus Deutschland und Äthiopien und erweitert so das Fachwissen über die Unterstützung autistischer Kinder, ihrer Betreuer*innen und ihrer Eltern.

Bei diesem Projekt arbeitet Art of Buna mit dem gemeinnützigen Verein Autismus Köln/Bonn e.V. zusammen, der über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Behandlung von Kindern mit Autismus verfügt. Die Organisation betreibt in Deutschland vier Autismuszentren, die – genau wie die vier Zentren in Äthiopien – durch die Mütter von Kindern mit Autismus gegründet wurden. Art of Buna hat vor Ort in Äthiopien einen Austausch zwischen Fachleuten der deutschen und der äthiopischen Autismuszentren organisiert und ermöglicht. Dieser wird heute digital fortgeführt. In Online-Sitzungen werden wesentliche Fragestellungen behandelt,beispielsweise wie  autistische Kinder am besten lernen und welche Hilfsmittel sie für ihre Weiterentwicklung bevorzugen oder benötigen. Die deutschen und äthiopischen Fachleute erörtern auch schwierige Fälle und bieten gegenseitiges Coaching an. Darüber hinaus hat Art of Buna in Äthiopien ein digitales Lernprogramm eingeführt und Lehrmaterial auf Amharisch erarbeitet, das am Welt-Autismus-Tag und darüber hinaus zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit zum Einsatz kam.

Der Autismus in Äthiopien unterscheidet sich durch nichts vom Autismus in anderen Teilen der Welt. Tritt Autismus allerdings in Kombination mit Armut auf, wird er für die betroffenen Familien zu einer untragbaren Last. Viele Eltern autistischer Kinder in Äthiopien trennen sich – die Mütter werden gewöhnlich zu Alleinerziehenden, werden stigmatisiert und geraten häufig noch tiefer in die Armut, manchmal sogar in die Depression.

Ermias Belai