Steckbrief

  • Das Unternehmen: Water, Energy and Environment
  • Gegründet: 2016
  • Sitz: in Zarzis
  • Gewinner von zwei internationalen Preisen, darunter der Preis der Internationalen Erfinder- und Technologiemesse im Mittleren Osten
  • Gewinner von drei nationalen Preisen, darunter der Tunesische Innovationspreis
  • 5 Praktikant*innen, 3 aus Tunesien, 2 aus Kamerun (Stand März 2021)
Abdallah Khenissi kniet auf dem Boden und schaut in die Kamera. In der Hand hält er einen Balken aus Holz. Um ihn herum stehen Konstruktionen aus Metall.

Energie für Entwicklung

Schlechte Energieversorgung ist in vielen Ländern noch immer ein großes Hemmnis für wirtschaftliche Entwicklung. Zwischen mangelhafter Energieversorgung und Armut besteht ein direkter Zusammenhang. Die Internationale Energieagentur schätzte 2019, dass mehr als ein Zehntel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Strom hat. Netzunabhängige Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien könnte dieses Problem insbesondere in Afrikas ländlichen Regionen, die noch nicht ans Netz angeschlossen sind, lösen.

 

Die Geschäftsidee

Abdallah Khenissi sagt von sich, eine „pathologische Fixierung“ zu haben. Er will Afrikaner*innen in ländlichen Regionen mit fehlender Energieinfrastruktur mit günstigem dezentralem Solarstrom beziehungsweise mit Solarthermie versorgen – und die Wüste begrünen. Ersteres versucht er aktuell durch den Bau und Einsatz von Solarkonzentratoren zu erreichen. Die hohen Temperaturen, die sich mit diesen aus Solarenergie erzielen lassen, sind für ganz unterschiedliche industrielle und private Zwecke und Prozesse nutzbar. Denn Wärme und nicht Strom ist die meist genutzte Energieform. Sie ist nötig in der Lebensmittelproduktion für das Kochen, Backen, Trocknen, Pasteurisieren und Sterilisieren oder in der Textilindustrie für das Waschen, Bleichen und Färben. Und das sind nur zwei Bereiche von vielen. Die Begrünung der Wüste will Abdallah durch die Entsalzung von Meerwasser erreichen, wobei auch hier Solarkonzentratoren eine wichtige Rolle spielen sollen.

Abdallah ist davon überzeugt, dass sich der Solarkonzentrator, den seine Firma „Water, Energy and Environment“ herstellt, langfristig am Markt durchsetzen wird. Denn Solarthermie gilt als die umweltfreundlichste unter den erneuerbaren Energien, da sie sich kostengünstig und in großen Massen speichern lässt. Das ist gerade in Zeiten des Klimawandels ein Plus. 

Abdallah Khenissi zeigt einer Gruppe von Menschen seinen Solarkonzentrator. Die Gruppe steht in einem großen Kreis um das Gerät herum.

Euphorie trifft auf Enttäuschung

Während Abdallah euphorisch und mit einer großen Vision im Kopf in den Süden Tunesiens zurückkehrte, war sein Umfeld alles andere als euphorisch. „Viele waren irritiert, geradezu enttäuscht, dass ich nicht in Deutschland geblieben bin. Die Tatsache, dass ich sehr bewusst nicht mit einem dicken Auto zurückkam, machte die Sache nicht besser – im Gegenteil. Mir persönlich sind Geld und Prestige nicht wichtig. Was mich antreibt, ist das Finden von Lösungen für aktuelle globale Herausforderungen.“ 
Mittlerweile gibt es auch positive Stimmen und Menschen, die sein Vorhaben unterstützen: Hassan Dhahmen vom Verein „Oasis des Sciences“ hat Abdallah’s Solarkonzentratoren bereits getestet und sie für Veranstaltungen gemietet. Er sagt: „Diese Solarkonzentratoren können der Bevölkerung künftig viel Mühe ersparen, denn mit ihnen fällt das aufwändige Organisieren und Schleppen von Gasflaschen, der bisher wichtigsten Energiequelle, weg. Dass die Konzentratoren in Tunesien und nicht im Ausland hergestellt werden, macht uns stolz und ist ein weiterer Grund sie einzusetzen.“

 

Drei Monate Fortbildung in Deutschland

„Geschäftsideen für Entwicklung“ unterstützte Abdallah Khenissis mutige Unternehmensgründung in Tunesien. Denn das wachsende Energiedefizit und die steigenden Energiepreise gefährden die Stabilität des Landes und die Errungenschaften der Revolution. „Geschäftsideen für Entwicklung“ finanzierte dem Unternehmer und einem seiner Mitarbeiter unter anderem eine dreimonatige Fortbildung in Deutschland, und zwar bei Wolfgang Scheffler, dem Erfinder der Scheffler-Solarkonzentratoren. Diese basieren auf einer gleichermaßen simplen wie überzeugenden Technik und sind relativ einfach und kostengünstig herzustellen. Abdallahs Firma ist der erste Produzent solcher Scheffler-Solarkonzentratoren in Tunesien.

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Als ich mich damals entscheiden musste, ob ich in Deutschland bleibe oder nach Tunesien zurückkehre, habe ich mir die Frage gestellt: Was kann ich mit 5.000 Euro in Europa machen und was in Tunesien? Da war meine Entscheidung gefällt.

Abdallah Khenissi

Das Gefühl, das Richtige zu tun

Die Kosten für die zeitaufwändige Herstellung dieser Solarkonzentratoren zu reduzieren, zählt momentan zu Abdallahs größten Herausforderungen. Zwei weitere Dinge, mit denen er kämpft: Weil es in Tunesien keine geeignete Ausbildung gibt, bildet er selbst aus – und sieht die Gefahr, dass die Mitarbeiter sich danach auf den Weg nach Europa machen. Das ist eine sehr reale Befürchtung, denn es ist bereits passiert. Auch die Einsamkeit des Pioniers und Andersdenkenden im abgelegenen Süden des Landes ist immer wieder ein Thema für Abdallah. Er sagt: „Andere Vordenker, die es gegen alle Widerstände geschafft haben, mitten in der Wüste ihre Visionen zu realisieren, sind ein Beispiel für mich. Sie machen mir Mut und lassen mich durchhalten.“